Markt & Wettbewerb

REACH-Verordnung: Auswirkungen auf die Tattoo-Branche

Ein Beitrag von stud. iur. Nicolas Frank

Ab dem 04.01.2022 ist ein Großteil der Tattoo-Farben im Rahmen der REACH-Verordnung in Europa nicht mehr erlaubt. Im Januar 2023 sollen sogar die Pigmente Blau 15 und Grün 7 komplett verboten werden. Ein ziemlicher Schock für die Tattoo-Branche, der Künstler und Enthusiasten mit vielen Fragen zurücklässt. Kann ich mich jetzt nicht mehr in der EU tätowieren? Muss ich meinen Beruf aufgeben? Gibt es Ausnahmen oder Genehmigungsmöglichkeiten? Was erwartet mich, wenn ich die Farben einfach weiter benutze?

Was ist die REACH-Verordnung?

REACH – Das steht für „Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals“ und die gibt es auch schon eine ganze Weile. Um genau zu sein seit dem 18.12.2006. Seitdem wird die Verordnung regelmäßig erweitert und so eine Erweiterung steht uns nun wieder bevor. Erklärtes Ziel dieser Verordnung ist es die Herstellung, das Inverkehrbringen und Verwenden von gesundheits- und umweltschädlichen Stoffen zu regulieren. Tausende gefährliche Chemikalien, die sich in Tattoo-Farben und Permanent Make-Up befinden, fallen 2022 unter die Beschränkungen der neuen Regulierung. Ziel war es dabei natürlich nicht Tattoos zu verbieten, sondern sie sicherer zu machen. Laut der European Chemical Agency (ECHA) würden dadurch über 1000 Fälle chronischer allergischer Reaktionen, sowie „andere schwerwiegende Wirkungen“ verhindert werden. Die Farbpigmente und andere potentiell krebserregende Stoffe können nach einer Tätowierung in die Organe gelangen und lebenslang im Körper bleiben – ECHA warnt vor den Langzeitfolgen. Wenn also Tattoo-Farben in Zukunft den Richtlinien entsprechen, steht die REACH Verordnung dem nicht mehr im Wege – leider scheint das aber in naher Zukunft nicht absehbar.

Was passiert bei einem Verstoß gegen die REACH-Verordnung?

Nun mag dem ein oder anderen der Gedanke kommen einfach weiterhin unter der Hand mit den altbewährten Farben zu tätowieren. Allerdings werden Verstöße gegen die REACH-Verordnung mit Haftstrafe von bis zu zwei Jahren, sowie Geldbußen von bis zu 50.000€ geahndet. Das bezieht sich auf das Herstellen, Verwenden und Inverkehrbringen der unter REACH fallenden Stoffe. Wenn durch den Verstoß Leben, Gesundheit oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden, kann die Haftstrafe sogar bis zu fünf Jahre dauern.

Bei Tattoos ist zu bedenken, dass man nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs.1 Nr. 2 StGB immer eine gefährliche Körperverletzung (Die Nadel ist ein „gefährliches Werkzeug“) begeht, in die der Kunde gemäß § 228 StGB einwilligt. Nun ist es absehbar, dass in Zukunft verbotene Tattoo-Farben mit dem Inhalt der von der REACH-Verordnung erfassten Stoffe auch als „Gift oder andere gesundheitsschädliche Stoffe“ nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB gesehen werden können. Auch darin könnte der Kunde theoretisch einwilligen, ein Verstoß wegen der Verwendung bleibt aber trotzdem strafbar. Möglicherweise kann es bei einer Gesundheitsschädigung durch die Tattoo-Farbe ja sogar zu einer bis zu fünf Jahre langen Haftstrafe kommen. Als Kunde sollte man daraus jetzt nicht schließen, dass alles beim Artist bleibt: Bringt man selbst eine Farbe mit und erteilt dem Tätowierer den Auftrag sie zu verwenden, bringt man die Farbe einerseits auch in Verkehr und riskiert andererseits eine Strafbarkeit als sogenannter Anstifter gemäß § 26 StGB. Wenn man jemanden zu einer Straftat anstiftet, wird man gleich einem Täter bestraft. Verstöße werden natürlich von Behörden kontrolliert: Dafür ist in Deutschland die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) als Bundesstelle für Chemikaltien (BfC) zuständig.

Kann man trotz REACH eine Genehmigung bekommen?

Es gibt die Möglichkeit für Unternehmen bei der ECHA einen Zulassungsantrag, mit dem Inhalt die zulassungspflichtigen Stoffe erstmalig oder weiterhin zu verwenden und/oder in den Verkehr zu bringen, zu stellen. Im Wesentlichen muss der Antragsteller nachweisen, dass er die von der Verwendung des Stoffes ausgehenden Gefahren angemessen beherrscht und argumentieren, warum der Nutzen der Verwendung die Risiken überwiegt. Außerdem darf es keinen geeigneten Alternativstoff geben. Grundsätzlich können Hersteller, Importeure oder nachgeschaltete Anwender (somit wohl auch Studios selber) eine Zulassung beantragen. Sinnvoller ist es wohl, wenn die Herstellerfirmen der betroffenen Farben einen solchen Antrag stellen. Denn eine Zulassung erstreckt sich auf die gesamte nachgeschaltete Lieferkette des Antragstellers für den spezifischen Verwendungszweck.

Ob entsprechenden Anträgen dann auch stattgegeben werden wird und welche Farben genau solche Stoffe beinhalten, bei denen ein solches Zulassungsverfahren überhaupt in Frage käme, kann hier leider nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Schließlich sollen die Chemikalien permanent unter die Haut kommen und nicht in irgendwelchen Laboren und Fabrikhallen vorübergehend weiterbenutzt werden.

Selbermischen durchaus heikel

Noch vor 25 Jahren war es durchaus üblich, dass sich die Tätowierer ihre Farben selbst angemischt haben. Wie sieht es mit dieser Alternative unter der neuen REACH Verordnung aus? Solange nur REACH konforme Stoffe verwendet werden und sich auch beim Herstellungsprozess oder der Lagerung keine unzulässigen Stoffe bilden (!), steht der Verwendung solcher Farben grundsätzlich nichts im Wege. Sind aber einzelne Bestandteile oder das spätere Endprodukt nicht in der REACH-Verordnung erfasst sind, bleibt alles beim Alten.

Hier sei erwähnt, dass mit der neuen REACH Verordnung auch das Handelsübliche Isopropylalkohol zu den unzulässigen Inhaltsstoffen gehört. Außerdem sind die Herstellungsverfahren, je nach Pigment, durchaus kompliziert und aufwendig, möchte man am Ende eine Farbe in gewohnter Qualität haben. Dies ist in Kleinstmengen kaum machbar und bei größeren Mengen ergibt sich wieder das Problem der Lagerung (Konservierungsstoffe, Zerfall der Bestandteile in Formaldehyd, …).

Ausblick und Fazit

Es sieht also leider nicht rosig aus für die Tattoo-Branche. Auf die Corona Krise folgt eine starke Einschränkung der Möglichkeiten von Studios das Wunschtattoo der Kunden auch zukünftig so umzusetzen, wie sie es sich vorstellen. Es bleibt abzuwarten, ob die Hersteller REACH konforme Farben auf den Markt bringen oder ob sich doch ein Lichtblick im Zulassungsverfahren abzeichnet. Aktuell gilt leider: Keine Ausnahmen, keine existierenden Sondergenehmigungen und das Risiko bei Verstößen potentiell Haft und Geldstrafe über sich ergehen lassen zu müssen. Aber: Das Verbot von Grün und Blau ist erst noch auf dem Weg!

Unter dem Namen „Save the Pigments“ haben Dipl. Ing. (FH) Michael Dirks und Erich Mähnert eine Petition zum Erhalt der beiden Pigmente Blau 15 und Grün 7 beim EU-Petitionsausschuss eingereicht. Einen Link zur Unterstützung findet ihr hier.